Erstellt: 04/11 09:12 AM
Modifiziert: 03/27 10:24 AM
Titel:
03.04.2001 Verpackungsverordnung vom 07.02.2001
Kategorie:
Aktuelles, Presse
Position der norddeutschen Brauer zum Novellierungsentwurf des Bundesumweltministeriums zur Verpackungsverordnung vom 07.02.2001
Die in der Sozietät Nordwestdeutscher Brauerei-Verbände zusammengeschlossenen Brauereiverbände haben bereits 1997 die derzeit in der geltenden Verpackungsverordnung verankerte prozentuale Mehrwegquote von 72 % gefordert. In gleicher Weise wurde die ersatzlose Streichung des Zwangspfandes verlangt. Diese Position wird auch weiterhin aus ökologischen und ökonomisichen Gründen von der norddeutschen Brauwirtschaft vertreten, die ohne gesetzliche Vorgaben über Jahrzehnte die Mehrwegsysteme aufgebaut und in die Systeme investiert hat. Ungeachtet eines durchschnittlichen Mehrweganteils von 75 % wird die Möglichkeit gefordert, sämtliche am Markt gängigen Verpackungen, d. h. Mehrweg- und Einweg-Getränkeverpackungen für den Vertrieb ohne gesetzliche Einschränkungen zu nutzen. In der gegenwärtigen Situation wird daher auch weiterhin der Vorschlag der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Martini, der die Ersetzung der prozentualen Mehrwegquote durch eine füllmengengestützte Mehrwegquote von 23 Mrd. Liter als Zwischenlösung vorsieht, unterstützt. Nur dieser Vorschlag ist geeignet, den ausreichenden Zeitraum zu gewinnen, um gemeinsam mit allen Beteiligten aus Handel, Industrie und Politik über eine Neugestaltung der umweltpolitischen Ziele im Bereich der Getränkeverpackungen zu beraten und langfristige tragfähige Regelungen zu schaffen. Der am 07.02.2001 präsentierte Entwurf des Bundesumweltministeriums führt nach der überwiegenden Auffassung der Brauwirtschaft zu einem unnötigen Druck auf die bewährten Mehrweg-Getränkesysteme.
Folgende Fakten sind zu beachten:
1. Der Mehrweganteil abgefüllter Getränke ist gestiegen.
Das Volumen in Mehrweg abgefüllter Getränke ist nach den offiziell veröffentlichten Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), die für die Erhebung im Auftrag der Bundesregierung zuständig sind, seit Inkrafttreten der Verpackungsverordnung um 2,59 Mrd. Liter gestiegen (1991: 19,93 Mrd. Liter; 1998: 22,52 Mrd. Liter). Damit ist der Mehrweganteil immer noch mehr als doppelt so hoch wie der, der in Einweg-Getränkeverpackungen abgefüllten Getränke (1991: 7,7 Mrd. Liter, davon allein 1,89 Mrd. Liter Kartonverpackungen; 1998: 9,59 Mrd. Liter, davon 2,97 Mrd. Liter Kartonverpackungen).
2. Zwangspfand ist überflüssig, da der Anteil der sog. ökologisch vorteilhaften Verpackungen seit 1991 um 16,8 % gewachsen ist.
Der Novellierungsentwurf des Bundesumweltministeriums sieht die Abschaffung der bisher geltenden prozentualen Mehrwegquote vor und setzt stattdessen auf eine Einteilung zwischen ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen und sog. nicht ökologisch vorteilhaften Verpackungen. Tatsächlich besteht zu einer Zwangsbepfandung dieser zweiten Katagorie überhaupt kein Anlaß, da der Anteil der sog. ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen seit 1991 deutlich stärker gewachsen ist als der Anteil der sog. nicht ökologisch vorteilhaften Verpackungen. Das Verhältnis zwischen ökologisch vorteilhaften / nicht ökologisch vorteilhaften Verpackungen betrug in 1991 78,5 % gegenüber 21,5 % und hat sich bis 1998 auf 79,4 % / 20.6 % entwickelt. Dies auf Basis der bislang offiziell bekannten Zahlen der GVM bis einschl. 1998.
3. Die Brauereien haben nach wie vor den zweithöchsten Mehrweganteil.
Die hoch entwickelte Mehrwegquote ist im wesentlichen auf die in Jahrzehnten ausgebauten Mehrweg-Systeme der Brauereien und der Mineralbrunnen zurückzuführen. Bei Bier besteht nach wie vor eine hohe Mehrwegquote (1998: 78 % lt. GVM).
4. Kartonverpackungen haben in der Vergangenheit die Mehrwegquote gedrückt.
Das Umweltbundesamt hat im Rahmen der weiteren Ökobilanz für Getränkeverpackungen (UBA-II-Studie) festgestellt, daß die Kartonverpackungen den klassischen Mehrwegverpackungen aus Glas hinsichtlich der ökologischen Belastungen ebenbürtig sind. Nach der geltenden Verpackungsverordnung zählen diese Verpackungen jedoch zu den Einwegverpackungen und haben im Zeitraum 1991 bis 1998 ein überproportionales Wachstum von knapp 60 %, d. h. von 1,89 Mrd. Liter in 1991 auf 2,97 Mrd. Liter in 1998 verbucht und überdurchschnittlich die Mehrwegquote von 72 %, die für die Mehrwegverpackungen aller Getränke gilt, nach unten gedrückt (s. Chart).
5. Keine Lenkungswirkung des Zwangspfandes zugunsten von Einweg
Das Bundesumweltministerium geht von einer Lenkungswirkung eines Zwangspfandes auf Einweg-Getränkeverpackungen zugunsten von Mehrweg-Getränkeverpackungen aus. Aufgrund dieser Annahme sieht der Novellierungsentwurf vom 07.02.2001 nunmehr ein Zwangspfand auf sog. nicht ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackungen, d. h. Einweg-Getränkeverpackungen wie Dosen, Einweg-Glas aber auch PET-Einweg vor. Die deutlich überwiegende Mehrheit der dazu bisher erstellten Gutachten treten dieser vom BMU vetretenden Auffassung entgegen. Insbesondere der Umweltsachverständigenrat als höchstes Beratungsgremium des Bundesumweltministeriums hat in seinem Umweltgutachten 2000 deutliche Zweifel daran geäußert, daß eine Zwangsbepfandung von Einweg-Getränkeverpackungen zu einer Förderung oder Stabilisierung von Mehrweg-Getränkeverpackungen führt. Der Lebensmitteleinzelhandel wird nach seinen Aussagen im Falle einer gesetzlichen Zwangsbepfandung – wegen der nach seiner Darstellung geringeren Kosten der Einwegrücknahme – verstärkt Mehrweg auslisten, was zu einer deutlichen Gefährdung der von den Brauereien aufgebauten Mehrwegsysteme führt.
6. Die Zwangsbepfandung von Einweg-Getränkeverpackungen in Schweden seit 1982 hat weder zu einer Förderung noch Stabilisierung von Mehrweg beigetragen.
In Schweden besteht seit 1982 ein Pfandsystem für Getränkedosen aus Aluminium und seit 1994 ein Pfandsystem für PET-Getränkeflaschen. Der Anteil von Bier in Getränkedosen stieg trotz Zwangsbepfandung zwischen 1981 und 1999 deutlich an, d. h. von 46,5 % auf 60,5 %. Unter Berücksichtigung der in Fässern ausgelieferten Ware (KEG) beträgt der Mehrweganteil bei Bier gerade noch ca. 32 %. Der leicht angestiegene Mehrweganteil bei den übrigen Getränken ist ausschließlich auf die Einführung von PET-Mehrweg zurückzuführen, das insbesondere im Bereich der Mineralwässer eingeführt worden ist (s. Chart).
7. Die Forderung des Bundesumweltministeriums zu einer stärkeren Bekämpfung der “Landschaftsvermüllung” (sog. Littering) ist mit der Novelle nicht zu erreichen.
Eine Untersuchung des TÜV Rheinland aus dem Jahre 1999 belegt, daß Getränkeverpackungen weniger als 6 % des gesamten Littering-Aufkommens ausmachen. Unter Berücksichtigung des Getränkekartons, der nach der Novelle von einer Zwangsbepfandung ausgenommen werden soll, beträgt der Anteil aller Getränkeverpackungen am Littering-Aufkommen nur ca. 4,8 %. Bei einer Zwangsbepfandung lediglich von Getränkeverpackungen bleibt die Frage der Beseitigung des übrigen Abfalls von rund 95 % auch weiterhin ungelöst. Statt selektiver und letztlich willkürlicher Sanktionen bedarf es einer langfristig angelegten gesellschaftspolitischen Erziehung der Verbraucher, wie sie bsplw. auch in Schweden seit über 30 Jahren als Kampagne erfolgreich ist.
8. Zwangspfand auf sog. ökologisch nicht vorteilhafte Verpackungen wie Getränkedosen führt nicht zu deutlich höheren Recyclingquoten.
Die Einführung eines Zwangspfandes ist nach Ermittlungen der GVM nicht geeignet, eine deutliche Steigerung der Recyclingquoten innerhalb der nächsten 5 Jahre herbeizuführen. Schon jetzt liegen die Recyclingquoten bei Glas mit 87, 5 % und Weißblech mit 89 % deutlich oberhalb der gesetzlichen Anforderungen nach der geltenden Verpackungsverordnung. Prognostizierte Steigerungen bei Weißblech von 1,4 % lt. GVM oder Glas von 4,1 % rechtfertigen nicht die von Roland Berger ermittelten Investitionskosten von mind. 2,6 Mrd. DM für die Einrichtung eines flächendeckenden Rücknahme- und Bepfandungssystems für Einweg-Getränkeverpackungen. Weitere laufende Kosten in Höhe von 1,5 Mrd. DM sind für die Unterhaltung des Systems notwendig – so die Unternehmensberatung Roland Berger in einer aktuellen Studie. Die verstärkte sortenreine Erfassung von PET-Einweg läßt sich durch eine Intensivierung der derzeitigen Sammelsysteme mit geringerem Kostenaufwand erreichen.